Hamburg bis Antwerpen



Solange wir im Hotel gewesen sind, ist das Wetter recht usselig geblieben, Regen bei ca 2..5°C. Am 28.1.2012 ist dann der Hotelaufenthalt zu Ende, dafür wird das Wetter schöner aber auch kalt. Da es momentan grad nicht möglich ist, bei unseren Bekannten, die wir in Sanktpetersburg auf unserer letzten Reise getroffen haben, unterzukommen, entschliessen wir uns auf den Campingplatz nach Hamburg -Schnelsen zu gehen. Wir sind die Einzigen mit Zelt und erhalten einen Spezialpreis, weil halt auch ein Teil der Infrastruktur eingewintert ist. Die beheizten Sanitäranlagen mit warmen Duschen sind ein Segen. Diese werden uns in Patagonien und in den Anden  sicher fehlen. Da es draussen zu kalt und zu windig ist, kochen wir jeden Abend im Zelt. Die Nächte mit Temperaturen bis -15°C sind im Schlafsack ganz gut zu durchschlafen, das grösste Problem sind die kalten Füsse, die wir vor dem zu Bett gehen kriegen. Teilweise Abhilfe schaffen die neu gekauften warmen Hüttenschuhe.


Schnelsen Camping
Nachdem wir am vorletzten Campingtag unser Zelt verlassen haben, kommt Herr Knaus, "Big-Boss" der Knaus-Campingplätze, auf Kontrollvisite, reibt sich die Augen: "Nanu, sehe ich da ein Zelt?" "Aber ja doch!" "Das darf nicht sein, ich will keine Negativschlagzeilen, gebt denen zum selben Preis ein beheiztes Wohnmobil", so oder ähnlich wird er argumentiert haben. Weil wir an diesem  Abend in dem äusserst empfehlenswerten, sehr gastfreundlichen griechischen Restaurant „Omyros“ in Hamburg- Schnelsen gegessen haben, kommen wir zu spät am Abend zu unserem Zelt zurück, um von den guten Neuigkeiten noch zu erfahren. So ziehen wir am nächsten Tag in das Wohnmobil um, können Wäsche waschen und das Zelt trocknen. Vielen Dank, was Besseres hätte uns nicht passieren können.

Sonntag 5.2.2012:
Wir packen alles zusammen und fahren zu Christian und Jorinde in Hamburg, den oben erwähnten Bekannten, und Quatschen den ganzen Rest des Tages bei Kaffee und Kuchen und einem späteren leckeren Abendessen .
Am Montag rufen wir den Agenten der Grimaldi Reederei in Hamburg an. Unser Termin von morgen Dienstag um 10..11 Uhr wird bestätigt. Wir besuchen die Ballinstadt, ein Auswanderermuseum, das auf eindrückliche Weise die Auswanderungswellen ab ca. dem 19. Jahrhundert veranschaulicht. Gut gemacht! Die Stadt Hamburg und ihre Umgebung haben wir nach zweieinhalb Wochen  ausgiebig erkundet.



Dienstag, 7.2.2012:
Nach der Fahrt durch den alten Elbtunnel erreichen wir Schuppen 48 gegen 10:30 und melden uns da am Empfang. "Alles bestens" meint der freundliche jüngere Herr hinter dem Schalter "sie dürften an Bord gehen, kommen aber da nicht hin, weil auf dem Hafengelände Radfahren verboten ist. Unser Transferbus ist erst ab 13 Uhr wieder verfügbar." Schreck lass nach! "Aber" so fährt er fort "das ist kein Problem, das Schiff läuft sowieso erst um 23:30 aus, weil es so viel Tiefgang hat, dass es die Flut abwarten muss". Also fahren wir nochmals mit dem ganzen Gepäck in die Stadt rein, um noch ein paar Kabelbinder zu kaufen und einen grossen Milchkaffe zu trinken. Um 13 Uhr klappt der Transfer zur "Grande America" tadellos und an Bord dauert es gar nicht lange bis ein Plätzchen für unsere Räder und den Einradanhänger gefunden wurde. Wie sich später herausstellt, ist es der Erste Offizier, der hilft, das Rad mit Anhänger die steile Rampe hochzuschieben! Um ca. 14:30 Uhr können wir unser Gepäck, das hauptsächlich vom Steward im Lift hochgebracht worden ist, in unserer Kabine verstauen. In Englisch, der Schiffssprache, können wir uns gut verständigen und erfahren so, wann die Essenszeiten sind, dass auf diesem italienischen Schiff  6 Italiener und 23 Philippinos arbeiten und dass wir auf diesem Trip 5 Passagiere sein werden und ... und.... und...
Katja und ich sitzen grad beim Abendessen da kommen die anderen Passagiere auch dazu. ..
Wir stellen unseren Wecker auf 23:20 und nehmen nach dem Essen ein Auge voll Schlaf. "RRRIIINNGG" "RRRIIINNGG""RRRIIINNGG" Nanu? alles relativ ruhig. Ist unsere Kabine so gut gedämmt? Anziehen und nachsehen! Wir finden den Weg auf das Deck nun schon relativ zuverlässig und staunen nicht schlecht als wir runtersehen. Nada, nichts, kein Leben! Rampe unten, alles wie gehabt. Nun ja, wir haben natürlich gelesen und auch schon erfahren, dass es auf Frachtschiffen Verspätungen geben kann und so  warten wir noch eine halbe Stunde. "Ach komm Katja wir gehen in die warme Kabine und warten da. Wir werden schon merken, wenn da was geht". Die Zeit in der Kabine wird lang, wir legen uns hin und schlafen schliesslich ein...

Mittwoch, 8.2.2012:
Wir liegen immer noch in Hamburg. Grund: Probleme mit dem Motor. "Neeiiin bitte nicht schon wieder warten" denken wir und fragen, wie lange das wohl dauern werde. Da die Antworten von: "wissen wir nicht" über "ein paar Stunden" zu "das kann lange dauern" gehen, kommt ein ungutes Gefühl auf. „ Hamburg, wir bleiben dir treu!“
Um 16 Uhr geht es aber los! Mit Hilfe von Schleppern und Lotsen geht es aus dem Hafen raus und in Richtung Sonnenuntergang die Elbe runter. Das Ausharren an der Kälte wird durch die schöne Aussicht auf die Elbufer belohnt. Bald wird es so dunkel, dass man nichts mehr sieht und Abendessen ist auch schon wieder fällig. Leider ist es so, dass der Kapitän kein geselliger Typ zu sein scheint und wir nach einer Stunde futtern die Offiziersmesse verlassen müssen, damit der Herr alleine essen kann! 
Elbe Hamburg on the Rocks

 Donnerstag, 9.2.2012:
Das Schiff  ruckelt und vibriert deutlich weniger als wir das befürchtet haben und so geht es nach England, Tilbury. Bevor wir aber in die Themse gelotst werden können, müssen wir geschlagene 7 Stunden warten. Time is money……
 
Freitag, 10.2.2012:
Als wir in unserer fensterlosen Innenkabine morgens um 7 Uhr vom Wecker geweckt werden steht das Schiff im Hafen von Tilbury. Wir dürfen an Land und müssen spätestens um 21 Uhr wieder zurück sein, was ich mir schriftlich geben lasse. Die anderen Passagiere bleiben an Bord. Katja und ich erleben wandernd den Charme englischer Arbeiterviertel wie man sie aus Filmen kennt. Wir machen uns dann auf, das grösste Einkaufszentrum Südenglands in Grey anzusehen. London ist  weit weg und die Zeit ist zu knapp,  um dorthin zu fahren.
Zum Abendessen sind wir wieder zurück. Das Auslaufen ist für 23:30 geplant…

Tilbury, Nähe London

Samstag, 11.2.2012
Wir stehen immer noch in Tilbury, unsere Crew hat, aus welchen Gründen auch immer, die Flut verpasst und wir kommen erst um 14 Uhr los. Hier erleben wir das erst Mal, was der Käpt‘n drauf hat. Wir müssen durch eine Schleuse raus, von der wir den Eindruck haben, dass das Schiff zu breit und zu lang ist, um da rein zu passen. Es ist tatsächlich eine knappe Sache, wir haben beidseits bloss einen halben Meter Platz. Unglaublich wie ruhig, langsam und sicher das Schiff da reingesteuert wird! Nicht einmal touchieren wir eine Wand. Bis wir aber diese Schleuse passiert haben und in der Themse sind, dauert es 2 Stunden. Im Panamakanal müssen laut Aussage des Lotsen gleich sechs solcher Schleusen überwunden werden, da kann man sich in etwa ein Bild machen, wie lange diese Passage dauert.  Während der Fahrt die Themse runter wird es wieder Abend und dunkel mit herrlichem Sonnenuntergang.
Schleuse bei Tilbury

Sonntag, 12.2.2012
Am Morgen erleben wir grad noch die Ankunft im Versorgungshafen von Antwerpen, sehen ein Betankungsschiff, das unsere Schweröltanks wieder füllt und einen riesigen Platz mit Neuwagen, Schrottautos, Baumaschinen, Traktoren, Lastwagen, Containern, Tropenholzstapel und Einzelteilen auf Paletten und Anhängern.  Zuerst heisst es, wir würden drei Tage hier liegen, um unter anderem den Motor zu reparieren. Kurz bevor wir das Schiff verlassen, wird die Frist auf zwei Tage reduziert: Montag 18:00 Uhr. Beim Verlassen des Schiffs wird uns gesagt, dass der Motor absolut perfekt laufe, der Streik der Hafenlotsen aber ein Problem sei…  Desinformation ist auch eine Art der Kriegsführung. Das grosse Grimaldi-Gelände kann nur an einer Stelle verlassen werden und da erfahren wir, dass der Streik am Dienstag beginnen werde. Nach Auskunft der Pförtner käme ein Taxi nach Antwerpen auf ca. 50€ zu stehen. Wir erkunden zu Fuss die nähere Umgebung (Verrebroek) und nehmen einen Bus nach Sint-Niklaas,  der nächst grösseren Stadt.
Grande America, unser Zuhause für 5.5 Wochen
Von hinten fast nicht als Schiff zu erkennen
  
Montag, 13.2.2012:
Nachdem bei uns am Sonntag nichts geladen wurde beginnt es heute mächtig zu rumsen. Das Beobachten der Ent-und Beladung solch eines Schiffes ist durchaus interessant. Es wird mit Volldampf ein- und ausgeladen. Nochmals machen wir uns auf nach Sint-Niklaas, um da evtl. ein Computerkabel zu kaufen, das Christian zu Hause vergessen hat . Wir wandern einen grossen Teil der Strecke durch flache Landschaft und kleine Dörfer und sehen dabei viele Fasane, Kaninchen und Hasen durch die Gegend flitzen.  Als wir gegen 17 Uhr zum Schiff kommen wird unvermindert geladen. In der Offiziersmesse hängt ein Zettel mit der Information, dass der Streik schon heute um 19 Uhr beginne und wir auf unbestimmte Zeit liegen blieben.
 

Rathaus in Antwerpen
Antwerpen
Dienstag, 14.2.2012:
Aufgrund des Streiks erhalten wir erneut Ausgang bis zum 15.2.2012 02:00. Genug Zeit, um den Ritt nach Antwerpen unter die Busräder zu nehmen. Den richtigen Bus nach Zwijndrecht verpassen wir nur knapp und ohne unser Wissen, dass es der richtige gewesen wäre. So fahren wir wieder mit dem Bus nach Sint-Niklaas wo uns der Chauffeur freundlich in Englisch erklärt, dass wir mit dem selben Ticket nach Antwerpen LO. fahren können, was wahrscheinlich so nicht ganz richtig gewesen sein mag; aber ohne kontrolliert zu werden erreichen wir nach nochmaligem Umsteigen mit demselben Ticket für 3€ die wunderschöne Innenstadt von Antwerpen. Wirklich wunderschön! Bis um 17 Uhr wandern wir herum und besichtigen unter anderem: den Bahnhof mit den vielen Diamantengeschäften, den Dom, die Burg mit der Aussicht auf den Fluss Schelde, das Chinesenviertel und die ganze Fussgängerzone. Um heimzufahren lösen wir ein Billet am Schalter, zahlen 2€ und erhalten die Auskunft, dass diese Fahrkarte zwei Stunden gültig sein soll. Wir fragen nochmals nach und es scheint keinen Irrtum zu geben. Mit Linie 3 fahren wir nach Zwijndrecht. Da wir nicht in den am Schalter erhaltenen Fahrplan sehen, haben wir da, im Nirgendwo, über 30min Wartezeit. Wir beschliessen, mit einem anderen Bus nach Beveren zu fahren, wo die Linie 84, die uns nach Verrebroek fahren soll, ebenfalls vorbeikommen muss. Und siehe da, auch dieser Bus erscheint relativ pünktlich, aber unsere Fahrkarte ist nicht mehr gültig. Wir sind erstaunt. Der Fahrer überreicht uns unbürokratisch einen neuen Fahrschein, den wir nicht zu bezahlen brauchen. So geht das hier: jeder sagt was anderes, aber es ist eigentlich alles unerheblich.
Auf dem Schiff, das wir nach ca. zweieinhalb Stunden Busfahren und Warten und ca. einer halben Stunde Fussmarsch erreichen, scheint der Ladevorgang abgeschlossen zu sein. Es ist nun ziemlich vollgeladen; sogar oben auf dem Deck stehen die Autos für Afrika. Wir glauben, wir wären auch ohne Streik nicht heute schon, halbleer ausgelaufen. Laut Pförtner ist der Lotsenstreik ab Mittwochmorgen beendet. Auf unserem Schiff ist aber noch kein Abfahrtstermin bekannt.


Mittwoch, 15.2.2012:
Im Hafenbecken in dem wir liegen, lagen noch 2 andere und 2 Grimaldi Schiffe.  Drei davon sind heute weg. Auch heute erfahren wir nichts ohne zu fragen. Wir hätten eine offenere Informationspolitik erwartet. Auch scheint aus unserer Sicht das Verhältnis zwischen Crew und dem Kapitän gestört. Auf unser Nachfragen erhalten wir die Antwort, dass die Lotsen teilweise immer noch streiken. Wir dürfen nicht mehr an Land, da alle hoffen, einen Lotsen zu kriegen und wegzukommen. Es wäre ja schon so, dass der Kapitän die Kiste auch alleine  aus dem Hafen steuern könnte;  aber das Schifffahrtsgesetz verpflichtet die grossen Schiffe, einen Lotsen zu nehmen.
 Unsere Vakuumtoilette funktioniert heute schlecht: sie röchelt und saugt unablässig ganz schwach. Toilettenpapier verschwindet nicht mehr. Auch beginnt unser, nicht abgesogener Urin, bei der Fuge zwischen WC und Wand auszutreten, in Richtung Abfluss, der schon seit unserem Einzug in die Kabine verstopft gewesen ist.
Donnerstag, 16.2.2012:
Um 02 Uhr morgens erwachen wir aus unruhigem Schlaf, weil es vom WC her zu rauschen beginnt. Die Spülung beginnt zu laufen ohne Ende, unsere Nasszelle mit Dusche und WC drin, steht im Nu unter Wasser. Der von uns aufgeweckte Steward Gerry weckt einen Techniker, so heissen die Bastler auf unserem Schiff. Ihm gelingt es, die Wasserversorgung zu unterbrechen, bevor die ganze Sosse die Nasszelle verlässt. Puh, das war knapp.
Am nächsten Morgen können wir in die Nachbarkabine umziehen, nachdem die von uns beanstandeten gröbsten Mängel behoben worden sind (fehlende Steckdosenabdeckungen, herunterhängende Lüftungsgitter). Diese Kabine ist, wie fast alles auf diesem Schiff, in schlechtem Zustand.
Weil es in unserer Kabine unerträglich heiss wird, steht unsere Zimmertüre oft offen. Die zwar vorhandenen Regler bewirken leider nichts. Wie es wohl in wärmeren Gefilden werden wird?...
Unsere Crew wird von den Lotsen im 2-Stundentakt auf später vertröstet. Die Lotsen werden nach einer uns unbekannten Prioritätenliste eingesetzt.

Freitag, 17. 2. 2012
Beim Frühstück erfahren wir, dass in der letzten Nacht die Toilette unserer Mitreisenden in der Eigner-Kabine ebenfalls überlaufen ist und dass der Abfahrtstermin auf ca. 8 Uhr festgelegt wurde. Bei Nebel und Regen verlassen wir unseren liebgewordenen Antwerpener Hafen durch eine recht breite Schleuse. Judihuii wir fahren!
Am Vormittag geht es bei recht viel Sonnenschein mit fast Höchstgeschwindigkeit (33km/h) die Schelde runter in den Englischen Kanal.

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